Kennt ihr diese typische Finanzpornografie à la “Mit dieser Aktie werden Sie in 3 Jahren Multimillionär”? Es ist wohl keine Überraschung, dass ich absolut kein Fan von solchen Artikeln bin. Nur sorgen eben solche Titel am Kiosk für hohe Verkaufszahlen und im Netz für hohe Klickraten. Nichtsdestotrotz werde ich weiterhin predigen, in langweilige Aktien zu investieren und diese auch langfristig zu halten. Ich bin überzeugt davon, dass das für Privatanleger besser ist, als auf irgendeine neue Trendaktie zu setzen.
Abgesehen davon kann man auch mit langweiligen Aktien, spannende Themen abdecken. So stelle ich heute den amerikanischen Industriegashersteller Air Products & Chemicals vor, der momentan intensiv an umweltfreundlichen Wasserstoffanlagen tüftelt. Warum also in ein hochspekulatives Start-up investieren, wenn man doch mit Linde, Air Liquide oder unserem heutigen Kandidaten tolle Auswahlmöglichkeiten hat?
Die Geschichte der Air Products & Chemicals Inc. findet ihren Ursprung am 5. November 1906, als Leonard Parker Pool in Minneapolis geboren wurde. Sowohl sein Vater als auch sein Großvater und sein Onkel arbeiteten im Eisenbahngeschäft. Leonards Vater war ein talentierter Kesselschmied, weshalb die Familie auch hin und wieder umziehen musste. Zuerst zogen sie nach Montana und anschließend nach Pennsylvania. Trotz der vielen Umzüge war Leonard ein sehr guter Schüler, der klasse Noten schrieb und gute Aussichten auf einen Studienplatz hatte. Allerdings sah die finanzielle Situation der Familie überhaupt nicht gut aus. Als sich der Gesundheitszustand seines Vaters drastisch verschlechterte, musste Leonard ebenfalls anfangen, bei der Eisenbahn zu arbeiten. Dort in der Lokomotiveninstandhaltung lernte er die neuartige Technik des Autogenschweißens kennen – einem Verfahren, bei dem man ein Brenngas nutzt, um zwei Werkstücke miteinander zu verbinden.
Als im Jahr 1926 sein Vater verstarb, zog die Familie zurück nach Minneapolis zu ihren Verwandten. Auch dort musste Leonard für den Familienunterhalt sorgen und er nahm zunächst einen Job an einer Tankstelle an. Kurz darauf bekam er eine Anstellung als Handelsvertreter bei der Pillsbury Company, einem Teigwarenhersteller, der später an General Mills verkauft wurde. In verschiedenen Aufbauseminaren lernte er die notwendigen Verkaufstaktiken und durfte sich anschließend ein Verkaufsgebiet heraussuchen. Da er von den vielen hungrigen Arbeitern der boomenden Automobilindustrie profitieren wollte, entschied er sich für Detroit. Sein Plan ging auf und er hatte einen schnellen Erfolg mit dem Verkauf von Pfannkuchenteig. Dennoch bemerkte er schnell, dass ihn dieser Erfolg nicht erfüllte und er suchte sich einen neuen Job bei der C. H. Dockson Company. Dort verkaufte er moderne Schweißgeräte und konnte sein Wissen über das Schweißverfahren und sein Verkaufstalent gewinnbringend nutzen.
Während in den 1930er-Jahren die große Depression hütete, beteiligte sich Leonard an einem Auto-Schrottplatz und verkaufte nebenbei weiterhin Schweißgeräte und Gase. Auf diese Weise sparte er Geld für sein eigenes Unternehmen namens Acetylene Gas & Supply Company. Es dauerte nicht lange, bis er von der großen Compressed Industrial Gases Inc. aufgekauft wurde und so rund 140.000 US-Dollar und eine Führungsposition im Unternehmen erhielt. Allerdings ließ ihn das eigene Unternehmertum keine Ruhe und er hatte schon bald eine neue blendende Geschäftsidee. Damals war es üblich, dass Gase in großen Anlagen erzeugt und anschließend in schweren Flaschen zum Kunden transportiert wurden. Wäre es nicht sinnvoller, kleine Gasanlagen direkt beim Kunden vor Ort zu errichten? Leonard suchte sich talentierte Ingenieure, die diese Anlagen bauen konnten, sammelte von Investoren etwas Kapital ein und gründete Ende September 1940 die Industrial Gas Equipment Company. Einige Wochen später bemerkte er, dass der Firmenname bereits vergeben war und man einigte sich auf Air Products Inc..
Anstatt seine Anlagen einmalig zu verkaufen, vereinbarte er mit seinen Kunden Leasingverträge, die für einen stetigen Cashflow sorgten. In der Zeit des Zweiten Weltkriegs hielt man sich mit einigen Regierungsaufträgen über Wasser und bis Kriegsende befanden sich mobile Air Products Sauerstoffgeneratoren in vielen militärischen Einrichtungen auf der ganzen Welt. Im Mai 1946 ging man an die Börse und wandelte sich so von einem Familienunternehmen zu einem globalen Konzern. Auch in den Folgejahren konnte man sich einige Großaufträge vom Militär und der NASA sichern und lieferte beispielsweise den Wasserstoff für das Space-Shuttle-Programm. Das Geschäft lief hervorragend und man konnte weiter expandieren und auch kleinere Unternehmen zukaufen. Heute gehört Air Products & Chemicals zu den führenden Herstellern von Gas- und Chemieerzeugnissen.
Wie kann sich Air Products & Chemicals in Zukunft weiterentwickeln?
Bevor ich diese Frage beantworte, möchte ich nochmal kurz das Geschäftsmodell zusammenfassen: Air Products & Chemicals beliefert Kunden aus vielen unterschiedlichen Branchen mit notwendigen Industriegasen (hauptsächlich Sauerstoff, Stickstoff, Argon, Wasserstoff, Helium und Kohlendioxid), wie auch den zugehörigen Anlagen und Beratungsdienstleistungen. Kunden finden sich in der Raffinerie-, Chemie-, Metall- und Elektronikindustrie, sowie in der Lebensmittel- und Gesundheitsbranche. Um diese Vielzahl an Kunden zu bedienen, arbeiten mehr als 19.000 Mitarbeiter in über 750 Anlagen, die in 50 Ländern betrieben werden.
Für eine nachhaltige Zukunft arbeitet Air Products & Chemicals inzwischen intensiv an der Wasserstofftechnologie. Erst kürzlich ging man mit der deutschen Thyssenkrupp AG eine Kooperation ein, um den Bau und Betrieb von großindustriellen Wasserstoffanlagen für die Bereiche Mobilität, Energie und Industrie voranzutreiben. Auch in China errichtet der Konzern momentan eine Anlage für die Produktion von bis zu 30 Tonnen Wasserstoff pro Tag. Diese Anlage soll etwa eine Milliarde US-Dollar kosten und wird wohl die größte im chinesischen Raum werden. Des Weiteren ging man auch mit dem chinesischen Chemieunternehmen Jiutai eine Partnerschaft ebenfalls zur Produktion von hochreinem und flüssigem Wasserstoff ein.
Nicht nur in China investiert das Unternehmen momentan intensiv. Auch in Saudi-Arabien soll bald eine Riesenanlage zur Herstellung von grünem Wasserstoff entstehen. Gemeinsam mit ACWA Power und NEOM unterzeichnete man ein Abkommen über 5 Milliarden US-Dollar für das weltgrößte Wasserstoffprojekt. Hier sollen täglich 650 Tonner kohlenstofffreier Wasserstoff entstehen, die für den globalen Verkehrsbereich zur Verfügung gestellt werden und so rund 3 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr einsparen sollen. Diese Beispiele aus dem Bereich Wasserstoff sollten ziemlich eindrucksvoll verdeutlicht haben, wo die Reise in Zukunft hingehen wird.
Wie sieht es mit der Dividende aus?
Seit dem Jahr 1954 erhalten Investoren von Air Products & Chemicals jedes Quartal eine Gewinnbeteiligung. Dem Dividendenaristokraten ist es zudem gelungen, seit 1982 die Ausschüttung jährlich anzuheben. Die durchschnittliche Dividendensteigerungsrate der letzten 10 Jahre liegt bei soliden 9,7 Prozent – betrachtet auf den letzten 5 Jahren sogar schon bei 10,9 Prozent. Bedenkt man den hervorragend gelaufenen Aktienchart, kann sich auch die Dividendenrendite mit 1,9 Prozent durchaus sehen lassen. Lediglich die Ausschüttungsquote könnte mit etwas über 60 Prozent gerne geringer ausfallen.
Fazit:
Zwar ist Air Product & Chemicals noch nicht so groß, wie seine Konkurrenten Linde und Air Liquide, gerade im Bereich Wasserstoff ist man aber auf einem sehr guten Weg, dies eventuell in naher Zukunft zu ändern. Auch abseits von Wasserstoff ist das Unternehmen fantastisch positioniert und verfügt über eine gesunde Geschäftsbilanz. Ich würde dieses Unternehmen sicher jeder spekulativen Wasserstoffaktie vorziehen.
Der Hintergrund
Als ich im Jahr 2018 DividendeOhneEnde startete, suchte ich nach einem Weg schnell und einfach ein Bewertungssystem in meinen Unternehmensvorstellungen zu integrieren. Entstanden ist eine Herzchen-Skala, die abgesehen von einigen Kennzahlen hauptsächlich auf meinem Bauchgefühl beruhte.
Das Problem
Ohne Frage, das eigene Bauchgefühl kann täuschen. Aber auch die Vergleichbarkeit zwischen den Aktien hat unter dem alten Bewertungssystem gelitten. Zu guter Letzt war meine alte Herzchen-Skala eine Momentaufnahme zum Zeitpunkt des Artikelschreibens.
Die Lösung
Ich habe mir intensiv Gedanken gemacht und lange nach einer Lösung gesucht. Mit meinem heutigen datenbasiertem Berechnungssystem kann ich fortlaufend alle meine Aktien im Blick behalten. Dies macht den DividendeOhneEnde-Score vergleichbar, zumal die Daten regelmäßig aktualisiert werden.
2 Antworten
Irgendwas scheint mit Deinem Chart nicht zu stimmen. Bei mir steht die Aktie bei 270 Dollar?
Hallo Stefan,
man man man. Da hatte ich doch tatsächlich noch Roper Technologies hinterlegt.
Vielen Dank für den Hinweis 🙂
Liebe Grüße
Benedikt