Bunzl

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Von der Naziflucht zum Weltkonzern

Dass man sich gerade als Einzelaktieninvestor um einen breiten Diversifikationsgrad bemühen sollte, ist nun wirklich kein Geheimnis mehr. Was die verschiedenen Branchen angeht, bin ich meiner Meinung nach gut aufgestellt – gerade was die Verteilung nach Ländern angeht, muss ich mir aber selbst an die eigene Nase fassen. Definitiv zu viele meiner Einzelaktien kommen aus den USA – zwar agieren die meisten dieser Unternehmen weltweit und sind nicht allzu sehr vom Heimatland abhängig, dennoch möchte ich in Zukunft auch verstärkt in weiteren Nationen investiert sein.

Einen interessanten Kandidaten für dieses Ziel hat mir der liebe Jörg letztens vorgeschlagen: den Vertriebs- und Großhandelskonzern Bunzl aus dem vereinigten Königreich. Schauen wir uns das Unternehmen also heute mal etwas genauer an.

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Die Entstehung und das Geschäftsmodell der Bunzl Public Limited Company:

Die Ursprünge der heutigen Bunzl plc gehen auf das Jahr 1825 zurück, als Moritz Moises Bunzl in Prag geboren wurde. Einige Jahre später zogen die Bunzls ins etwa 300 Kilometer entfernte Pressburg (heißt heute Bratislava – Hauptstadt der Slowakei). Dort lernte Moritz die 11 Jahre jüngere Minna Biach kennen, die er 1854 im Alter von 29 Jahren heiratete. Um Geld zu verdienen, gründete Moritz noch im selben Jahr die Firma Emanuel Biach’s Eidam. Ich denke, dieser Firmennamen benötigt eine kurze Erklärung: Emanuel war Minnas Vater und Eidam ist eine veraltete Bezeichnung für einen Mann, der in eine Familie einheiratet und somit am Erbe der Tochter teilhat. Sein Geschäft war der Hadernhandel – ebenfalls ein altdeutscher Begriff für das Sammeln von Textilabfällen, die zur Aufbereitung und Wiederverwertung in der Textil- und Papierindustrie weiterverkauft wurden. Das Geschäft entwickelte sich solide und als Moritz 1875 verstarb, übernahmen seine drei Söhne Max, Ludwig und Julius die Leitung.

Da man sich in Österreich bessere Wachstumschancen versprach, versetzte man seinen Firmensitz ins nicht weit entfernte Wien. Auch änderte man den Namen zu Bunzl & Biach und begann selbst in der Textil- und Papierindustrie Fuß zu fassen. In den folgenden Jahrzehnten bauten die Bunzl-Brüder mehrere Niederlassungen in Österreich und Ungarn auf. In den späten 1920er-Jahren entwickelte man den wahrscheinlich ersten Zigarettenfilter der Welt. Genauer gesagt, war es der Ungar Boris Aivaz, der aus Krepppapier den Filter erfand, aber auf die Zusammenarbeit eines Papierherstellers angewiesen war. 1927 ging der Filter in Produktion und wurde in den nächsten zehn Jahren an Zigarettenhersteller in 15 Ländern verkauft. Als sich Österreich 1938 Adolf Hitler anschloss, verlegte die jüdischen Bunzls ihren Firmensitz in die Schweiz. Außerdem gründete man eine Niederlassung in London. Als dann das Nazi-Regime die Kontrolle über die Bunzl & Biach AG gewaltsam an sich riss, wanderten die Bunzls aus.

Während sich ein Teil der Familie in der Schweiz und in den USA niederließ, zog ein Großteil der Familie nach Großbritannien, wo man gezwungen war, von Neuem anzufangen. Mit einem Kredit über 5.000 Pfund gründeten Martin, Hugo und George Bunzl die Tissue Papers Limited, um Papier und verschiedene Papierprodukte herzustellen. Der Anfang war hart und man meldete im ersten Geschäftsjahr einen Gewinn von gerade mal 179 Pfund. Ein Jahr später konnte man sich um mehr als 100 Prozent steigern – auf sagenhafte 406 Pfund … Glücklicherweise ist es den Bunzls gelungen, nach dem Zweiten Weltkrieg die Kontrolle über ihre österreichischen Fabriken zurückzugewinnen. In den folgenden Jahren konzentrierte man sich stark auf die Produktion und den Vertrieb neuer Zellstoff-Zigarettenfilter und war damit sehr erfolgreich. Doch als Ende der 1970er-Jahre mehr und mehr Zigarettenhersteller begannen selbst Filter herzustellen und generell die Nachfrage rückläufig war, sah man sich nach neuen Produkten um. In dieser Zeit tätigte man so einige Akquisen und versuchte sich in vielen neuen Geschäftsfeldern – längst nicht alle davon waren erfolgreich. Doch auf diese Weise fand man seinen Weg in die Outsourcing- und Distributionsbranche und begann sich auf Einwegverpackungen für Lebensmittel zu spezialisieren. Nach und nach trennte man sich von allen unrentablen und nicht zum Kerngeschäft zugehörigen Geschäftssparten. Heute ist die Bunzl plc in über 33 Ländern aktiv und vertreibt sowohl Eigenprodukte als auch Produkte anderer Hersteller hauptsächlich an gewerbliche Kunden.

Der Bunzl Aktienchart

Zahlen | Daten | Fakten

zuletzt aktualisiert am: 11. Oktober 2022
Symbol:
BNZL.L
WKN:
A0ET3E
ISIN:
GB00B0744B38
Land:
Großbritannien
Marktkapitalisierung:
10.3 Mrd. €
Dividendenrendite:
2.2%
Zahlungsintervall:
halbjährlich
Erste Dividende:
1984

Aussichten

Wie kann sich die Bunzl plc in Zukunft entwickeln?
Bevor ich mich dieser Frage widme, möchte ich noch mal kurz das Geschäftsmodell des Großhändlers zusammenfassen. Man ist ein international tätiges Unternehmen mit dem Schwerpunkt Verpackungs- und Verbrauchsmaterialien. Man selbst unterteilt seine Produktpalette in sieben Sparten:

  • Grocery: (26 Prozent des Umsatzes) Lebensmittelverpackungen, Folien, Etiketten, sowie Reinigungs- und Hygieneartikel für Supermärkte und Lebensmittelgeschäfte
  • Foodservice: (25 Prozent des Umsatzes) Einweggeschirr, Catering-Ausrüstung, Lebensmittelverpackungen, Gastronomieausstattung, sowie Reinigungs- und Hygieneprodukte für Hotels, Restaurants und Lebensmittelverarbeiter
  • Safety: (14 Prozent des Umsatzes) Persönliche Schutz- und Sicherheitsausrüstung, Handschuhe, Stiefeln, Schutzhelme, Gehör- und Augenschutz für die Industrie und den Bausektor
  • Cleaning & Hygiene: (13 Prozent des Umsatzes)  Reinigungs- und Hygienematerialien, Chemikalien und Hygienepapier für Reinigungs- und Facility-Management-Unternehmen
  • Retail: (10 Prozent des Umsatzes) Verpackungen, Reinigungs- und Hygieneprodukte für allerlei Retailunternehmen und E-Commerce-Vertriebskanäle
  • Healtcare: (10 Prozent des Umsatzes) Verbrauchsmaterialien für das Gesundheitswesen, Handschuhe, Masken, Tupfer, Kittel, Verbände sowie Reinigungs- und Hygieneprodukten für Krankenhäuser und Pflegeheime
  • Other: (2 Prozent des Umsatzes) Vielzahl von Produktreihen für andere Endverbrauchermärkte

Grundsätzlich kann man sagen, dass Bunzl seinen Kunden Arbeit abnehmen möchte, sodass sich diese auf ihre Kerngeschäfte konzentrieren können. Bunzl kümmert sich also um den Einkauf und die Logistik der Produkte, die für den erfolgreichen Betrieb ihrer Geschäfte unerlässlich sind. Produkte stammen sowohl aus Eigenproduktionen, als auch von internationalen Top-Marken, wie Kimblery-Clark3M Company oder Ecolab oder auch von lokalen Lieferanten. Immer mit dem Ziel, dem Kunden die optimale und maßgeschneiderte Lösung anbieten zu können.

Werfen wir nun einen Blick auf die zuletzt veröffentlichten Zahlen der Bunzl plc. Im Geschäftsjahr 2020 erzielte man einen Umsatz von £10,1 Milliarden, was einer Steigerung von 9,4 Prozent gegenüber dem Geschäftsjahr 2019 gleichkommt. Der Gewinn lag in diesem Zeitraum mit £618,5 Millionen sogar stolze 17,1 Prozent höher als noch im Vorjahreszeitraum. Auch der bereinigte Gewinn je Aktie kann sich definitiv sehen lassen: 164,9 Pence je Aktie beziehungsweise eine Steigerung von 26,6 Prozent.

Um auch in Zukunft weiterhin auf Wachstumskurs zu bleiben, investiert Bunzl stark in das eigene Wachstum und schreckt auch nicht davor zurück, passende Unternehmen aufzukaufen. Seit 2004 tätigte man ganze 172 Geschäftsakquisen. Auch wenn diese Zahl erst mal sehr hoch erscheint, bin ich mir dennoch sicher, dass man aus seiner Vergangenheit lernte und nur noch Unternehmen zukauft, die das eigene Kerngeschäft stärken. So gab man beispielsweise erst vor einigen Tagen bekannt, dass man das neuseeländische Distributionsunternehmen Obex Medical Holdings übernehmen werde.

Wie steht es um die Dividende?
Investoren der Bunzl plc wurden erstmals im Jahr 1984 am Unternehmensgewinn in Form von Dividenden beteiligt. Seitdem wurde zwar die Dividende Jahr für Jahr ausgeschüttet, allerdings anfangs nicht immer gesteigert. Erst seit 1992 etablierte man eine aktionärsfreundlichere Dividendenpolitik mit jährlichen Steigerungen. Somit darf sich Bunzl auch seit einigen Jahren zu den begehrten Dividendenaristokraten zählen. Betrachtet auf den letzten 10 Jahren liegt die Dividendensteigerungsrate bei soliden 7,6 Prozent. Mit etwa 2,4 Prozent kann sich auch die momentane Dividendenrendite definitiv sehen lassen und das, obwohl die Ausschüttungsquote mit rund 42,2 Prozent ebenfalls noch Luft für zukünftige Steigerungen zulässt. Ein Trend, der mir hingegen nicht sonderlich gut gefällt ist, dass Bunzl seit 2008 fast jährlich neue Aktien ausgibt.

Fazit:
Der heutige Vertriebs- und Großhandelskonzern Bunzl hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich, in der er mehrfach bewiesen hat, dass er wandlungsfähig ist und mit größeren Krisen umgehen kann. Meiner Meinung nach stehen die Chancen gut, dass sich das Geschäft von Bunzl auch in den nächsten Jahren gut entwickeln kann.

zuletzt aktualisiert am: 11. Oktober 2022
Berechnungskriterium
Wert
Punktzahl
Dividendenrendite
2.2 %
5 von 6
Dividendensteigerungsrate (letzte 5 Jahre)
6.5 %
2 von 6
Ausschüttungsquote
42.5 %
5 von 6
Zahlung & Steigerung der Dividende
29 Jahre
5 von 6
Kurszuwachs (letzte 10 Jahre)
141.7 %
3 von 3
Gewinnentwicklung (letzte 5 Jahre)
8.4 %
3 von 3
Umsatzentwicklung (letzte 5 Jahre)
5.8 %
2 von 3
Verschuldungsgrad
34.9 %
1 von 3
Gesamtpunktzahl
=
26 von 36

Der Hintergrund

Als ich im Jahr 2018 DividendeOhneEnde startete, suchte ich nach einem Weg schnell und einfach ein Bewertungssystem in meinen Unternehmensvorstellungen zu integrieren. Entstanden ist eine Herzchen-Skala, die abgesehen von einigen Kennzahlen hauptsächlich auf meinem Bauchgefühl beruhte.

Das Problem

Ohne Frage, das eigene Bauchgefühl kann täuschen. Aber auch die Vergleichbarkeit zwischen den Aktien hat unter dem alten Bewertungssystem gelitten. Zu guter Letzt war meine alte Herzchen-Skala eine Momentaufnahme zum Zeitpunkt des Artikelschreibens.

Die Lösung

Ich habe mir intensiv Gedanken gemacht und lange nach einer Lösung gesucht. Mit meinem heutigen datenbasiertem Berechnungssystem kann ich fortlaufend alle meine Aktien im Blick behalten. Dies macht den DividendeOhneEnde-Score vergleichbar, zumal die Daten regelmäßig aktualisiert werden.

Weitere interessante Unternehmen:

Benedikt Stafflinger

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Hi, ich bin Benedikt. Als Privatinvestor bin ich oft auf der Suche nach interessanten und lukrativen Dividendenaktien. Wenn ich eine Firma gefunden habe, schaue ich mir gerne das Geschäftsmodell und die Zukunftsperspektiven an. Da ich diese Infos nicht für mich behalten will, habe ich DividendeOhneEnde ins Leben gerufen - die Plattform für solide und wachstumsstarke Dividendenwerte. Hier kannst du noch etwas mehr über mich erfahren ...
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Der Depotplaner inkl. Depot-Tracker

Sehr gut, ein weiteres Unternehmen kennst du nun. Allerdings ist es keine gute Idee, blind alle meine vorgestellten Aktien nachzukaufen. Wie würde ich also ein vernünftiges Dividenden-Depot zusammenstellen? Welche verschiedenen Handelsansätze kann man verfolgen? Und ganz wichtig, wie kann man seine eigene Depotperformance tracken?

Zu diesem Theme machte ich mir sehr viele Gedanken und habe lange daran getüftelt. Stolz darf ich meinen Depotplaner mit 5 verschiedene Musterdepots präsentieren. Insgesamt werden 60 Aktien vorgestellt, die langfristig sowohl im Kurs, als auch in der Dividende steigen. Abgesehen davon gebe ich mit meinem Depot-Tracker ein geniales Tool mit an die Hand, um die eigene Performance noch besser im Auge zu behalten.

Wie ist deine Meinung zu Bunzl?

10 Antworten

  1. Hallo Benedikt,

    super, dass du das Unternehmen jetzt schon vorgestellt hast. Ja, mit der Neuausgabe der Aktien seit 2008, das ist mir auch aufgefallen. Aber wenn man diese mit anderen Unternehmen vergleicht, ist diese jährlich nicht sooo hoch. 😀
    Das Unternehmen ist in sich aber eigentlich ganz gut diversifiziert und zudem mal nicht aus den USA. 🙂
    Bei mir steht die Aktie aktuell in der Watchlist neben Ping An, Alibaba und Allstate an vierter Stelle weit oben.

    Gruß
    Jörg

    1. Hallo Jörg,
      absolut. Mir gefällt Bunzl auch wirklich sehr gut und über die neuen Aktien kann man tatsächlich hinwegsehen.
      Mal sehen, ob ich da auch mit einsteige 🙂
      Liebe Grüße & einen guten Start in die Woche.
      Benedikt

      1. Hallo Benedikt,

        Halma PLC habe ich schon im Depot, genauso wie Ametek,Nordson oder Roper Technologies.
        Denke eine SIKA AG oder Steris würde auch gut in dein Beuteschema passen 🙂

        Lg Thomas

        1. Hallo Thomas,
          wow. Vielen lieben Dank. Das sind wirklich klasse Unternehmen, die ich so teilweise noch gar nicht richtig auf dem Schirm hatte.
          Habe sie mir alle auf die Liste gepackt und werde sie demnächst mal hier vorstellen.
          Danke und ganz liebe Grüße
          Benedikt

          1. Bitte 🙂

            bin froh deinen Blog gefunden zu haben.Endlich jemand der auch abseits der guten aber doch sehr bekannten Unternehmen investiert.
            wie stehst du zu kanadischen oder japanischen Werten?

            Lg Thomas

          2. Hey vielen, vielen Dank für dein Feedback. Freut mich wirklich sehr, dass dir mein Blog gefällt.
            Ich denke mir immer: Wer eine außergewöhnliche Rendite haben möchte, der muss sich nunmal auch die Werte ansehen, die eben nicht jeder im Depot hat.
            Und in diesem Zuge schaue ich mir auch gerne kanadische oder japanische Werte an. Kanada habe ich tatsächlich auch öfters auf der Liste – Japan noch nicht wirklich.
            Wenn du gute Vorschläge für japanische Werte hast, wäre ich dir da natürlich sehr dankbar 🙂
            Liebe Grüße
            Benedikt

  2. Hallo Benedikt,

    japanische Werte habe ich Keyence Corporation im Sparplan und Nissan Chemical und Sysmex Corporation im Schweizer Depot.
    Des Weiteren möchte ich noch Terumo und eventuell Kurita Water mit dazu nehmen.M3 finde ich auch noch spannend.
    Vielen Dank für die Vorstellung von Badger Meter 🙂

    Kanada habe ich im Moment mit Stella Jones,Open Text und Canadian National Railway abgedeckt, hier kommt noch Konstellation Software hinzu und eventuell TFI International.

    Lg Thomas

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