Es ist gerade mal einen Monat her, seitdem ich meinen Jahresrückblick über das absolut aufregende Börsenjahr 2020 geschrieben habe – dass es direkt im Januar so spannend weitergeht, habe ich nicht kommen sehen. Gewissermaßen läuft momentan ein “Krieg” zwischen Hedgefonds und Privatanlegern. Muss man sich daran beteiligen? NEIN, keinesfalls. GameStop ist für mich absolut kein zukunftsfähiges Investment – wohl eher ist es ein brandheißes Zockerpapier. Dennoch konnte die GameStop Aktie alleine in diesem Monat unglaubliche 1.625 Prozent zulegen. Mit meinem Artikel möchte ich etwas Licht ins Dunkel bringen, einerseits möchte ich das Unternehmen an sich vorstellen, des Weiteren möchte ich versuchen, den momentanen Raketenstart der Aktie etwas zu erklären. Erst wenn man die Idee hinter diesem Anstieg erkennt, realisiert man diesen wahnsinnigen Geniestreich. Allerdings birgt das Ganze auch unheimliche Gefahren für den Gesamtmarkt, dazu aber später mehr.
Keine Sorge, ich habe noch Unmengen an wachstumsstarken, soliden und langweiligen Aktien im Gepäck, die ich hier nach und nach vorstellen möchte. Heute aber muss ich einfach über dieses verrückte Ausnahmephänomen berichten.
Die heutige GameStop Corporation entstand aus der Weiterentwicklung verschiedener Einzelhandelsunternehmen, wobei die Babbage’s Inc. als wichtigster Vorgänger des Video-Spiele-Konzerns gilt. Ihre Wurzeln gehen auf James B. McCurry und Gary M. Kusin zurück, zwei Klassenkameraden der Harvard Business School, die bereits Mitte der 1970er-Jahre darüber nachdachten, gemeinsam etwas aufzubauen. Allerdings gingen die beiden nach ihrem Abschluss getrennte Wege und James arbeitete als Unternehmensberater für Bain & Company in San Francisco, während Gary bei der Federated Department Stores Inc. (Vorgänger von Macy’s) in Dallas als General Merchandise Manager anfing zu arbeiten. Erst im Jahr 1982 trat James an seinen alten Schulkollegen heran und erzählte ihm von der Idee, eine Kette von Software-Geschäften zu gründen. Er erkannte das große Potenzial der aufkeimenden Computer- und Videospielindustrie und auch an Gary ging die steigende Nachfrage an Software für den Heimgebrauch in seinen Kaufhäusern nicht vorbei. Kurzerhand entschlossen sich die beiden zu kündigen und machten sich auf die Suche nach einem geeigneten Kapitalgeber.
Anders als erwartet zeigten die meisten Risikokapitalgeber nur wenig Interesse an der Geschäftsidee, doch glücklicherweise trafen sie im Februar 1983 den Geschäftsmann und Freund von Garys Familie Ross Perot, der ihnen 3 Millionen Dollar für ein Drittel der Firma anbot. Auch gab er den beiden Gründern den Rat, nicht sofort 20 Läden zu eröffnen, sondern sich erstmal auf eine Filiale zu konzentrieren und diese ordentlich zum Laufen zu bringen. James und Gary nahmen diesen Rat an und eröffneten am Memorial Day 1983 in einem Einkaufszentrum in Dallas ihre erste Babbage’s-Filiale. Namensgeber war der englische Mathematiker Charles Babbage, der mit seiner mechanischen Rechenmaschine bereits im Jahr 1822 den ersten Vorläufer moderner Computer erfand. Bereits zwei Monate nach Geschäftseröffnung erreichte man seine Umsatzprognose und man konnte seine erste Vollzeitmitarbeiterin einstellen. Zunehmend liefen die Geschäfte besser und bis Ende des nächsten Jahres konnte Babbage’s vier weitere Filiale im Großraum Dallas eröffnen. Zu dieser Zeit setzte man voll und ganz auf den Verkauf beliebter Computerspiele für das damals dominierende Videospielsystem Atari 2600.
Bis ins Jahr 1987 kamen weitere 35 Standorte hinzu und man begann mit dem Verkauf von Videospielen für die neuen Nintendo Systeme. In diesem Geschäftsjahr setzte Babbage’s 29 Millionen Dollar um und realisierte daraus einen Gewinn von 1,16 Millionen Dollar. Die Zukunftsaussichten waren blendend, weshalb man sich auch 1988 dazu entschied, das Unternehmen an die Börse zu bringen. In meinem Geburtsjahr 1994 umfasste die Babbage’s Kette bereits über 300 Filialen und war finanziell sehr gut aufgestellt. Allerdings wurden Videospiele und Softwareprodukte immer beliebter, weshalb auch zunehmend starke Wettbewerber, wie Wal-Mart, Best Buy oder Target in den Markt eindrangen. Um sich besser zu positionieren, entschied sich Babbage’s für eine Fusion mit dem Fachhändler Software Etc.. 1999 wurde man schließlich von Barnes & Noble aufgekauft und etwas später mit dem Computerspielhändler Funco verschmelzt. Daraus entstand die GameStop Corp., die seit 2002 als eigenständiges Unternehmen an der Börse gelistet ist. Heute besitzt man über 5.700 Filialen in 14 Ländern und bietet eine breite Auswahl gebrauchter und neuer Spielekonsolen, Videospielen und Merchandiseartikel.
Ist das Geschäftsmodell von GameStop zukunftsfähig?
Um es kurzzufassen: So wie GameStop lange gearbeitet hat, wird das meiner Meinung nach in Zukunft nicht klappen. Spiele werden zunehmend beim Online-Versandhändler gekauft, wenn überhaupt. Sonys neue Playstation 5 gibts bereits als Digital Edition ohne Disc-Laufwerk – hier können Spiele bequem und jederzeit online erworben werden. Natürlich hat das auch das Management von GameStop erkannt, weshalb man sich kürzlich Ryan Cohen, den früheren CEO von Chewy (einem E-Commerce-Shop für Haustierbedarf), mit an Bord holte. Cohen ist der Meinung, man kann die starke Marke von GameStop nutzen, um so das Amazon der Videospiele aufzubauen. Ob diese Transformation tatsächlich gelingt, steht natürlich in den Sternen.
Warum also der plötzliche Anstieg der Aktie?
Nun, das hat meiner Meinung nach zwei verschiedene Gründe: Zum einen bemerkten immer mehr Investoren, darunter auch der “The Big Short” Investor Michael Burry, dass GameStop unterbewertet war. Klar, die Zukunftsprognosen sind nicht wirklich rosig, aber dennoch hat GameStop eine starke Fangemeinde und Umsätze, die einen höheren Aktienkurs rechtfertigten. An dem Punkt einer fairen Aktienbewertung sind wir natürlich schon längst vorbei und das liegt hauptsächlich am zweiten Grund: einem Short Squeeze.
Damit jeder versteht, wobei es bei einem Short Squeeze geht, möchte ich das kurz erklären. Fangen wir mal ganz simpel an – man kann Aktien kaufen und auch verkaufen, obwohl man diese nicht besitzt. Hier spricht man dann vom Shorten oder zu Deutsch vom Leerverkaufen. Kauft man eine Aktie beispielsweise bei 100$, kann diese maximal auf 0$ fallen, was das maximale Risiko auf diese besagte 100$ beschränkt. Beim Leerverkaufen leihen wir uns eine Aktie (ohne dass der Leihende das weiß) und verkaufen diese gleichzeitig weiter. Fällt der Aktienkurs, ist die Differenz unser Gewinn. Steigt hingegen der Aktienkurs, müssen wir irgendwann die Position auflösen, um unsere Verluste zu begrenzen. Im selben Beispiel Shorten wir die Aktie also bei 100$. Fällt sie auf 10$ haben wir 90$ Gewinn gemacht – allerdings ist das maximale Risiko nach oben hin unbegrenzt, da eine Aktie rein theoretisch unendlich steigen kann.
Im Falle von GameStop waren seit Jahren Hedgefonds am Werk, die massiv die Aktie leerverkauften, was man angesichts der schwachen Zukunftsaussichten auch nachvollziehen kann. Allerdings trieben es die Hedgefonds-Manager auf die absolute Spitze, indem sie mehr als 140 Prozent aller ausstehender Aktien shorteten. Einige Investoren fanden dies schließlich heraus, teilten es auf dem Subreddit Wallstreetbets und beschlossen die Aktie zu kaufen. Steigen die Kurse, müssen die Hedgefonds irgendwann ihre Positionen auflösen, also zurückkaufen, was den Preis der Aktie abermals in die Höhe treibt. Hier kommt es dann zu einem Schneeballeffekt und dem sogenannten Short Squeeze.
Wo sehe ich die Gefahr?
Vielleicht noch zwei Sachen vorweg: Ich finde es wichtig, dass wir einen freien Markt haben – jeder darf kaufen und verkaufen, was und wie viel er möchte. Über 100 Prozent einer Aktie shorten zu können, finde ich aber falsch! Genauso finde ich es falsch und absolut lächerlich, dass Redditnutzer als wilde Zocker dargestellt werden. Ich denke, man hat hier einfach einen Missstand im Finanzsystem entdeckt und zeigt nun den gierigen Hedgefonds, dass sie sich eben nicht mehr alles erlauben können. Nur, was machen die Hedgefonds nun? Sie treiben Gelder auf, um den Zeitpunkt möglichst lange herauszuzögern, ihre Position tatsächlich auflösen zu müssen. Währenddessen tut man gefühlt alles, um den Aktienkurs wieder zum Fall zu bringen. Man schaltet bezahlte Werbung, dass man seine Positionen bereits aufgelöst habe und die Kleinanleger ihre Aktien jetzt wieder verkaufen sollten. Aber man muss auch seine anderen Aktienpositionen auflösen und gut laufende Investments verkaufen, was man definitiv letzte Woche am Gesamtmarkt zu spüren bekam. Am Donnerstag war es bei den meisten Brokern sogar tatsächlich nicht mehr möglich Aktien von GameStop zu kaufen, man konnte nur noch verkaufen. Dass das den ohnehin schon verärgerten Privatanlegern nicht schmeckt, kann sich wohl jeder denken.
Um es zusammenzufassen: Der Short Squeeze mit GameStop ist inzwischen deutlich mehr, als nur irgendein langweiliges Ereignis an der Börse. Es ist ein emotionsgeladener “Krieg” zwischen den Diamond Hands (Bezeichnung der Redditnutzer, die auf keinen Fall ihre Aktien verkaufen werden) und den Hedgefonds-Managern, die zunehmend in Bredouille geraten. Wie das ganze ausgeht, kann wohl keiner sagen – Fakt ist, dass uns eine extrem spannende Börsenwoche bevorsteht.
Zahlt GameStop momentan eine Dividende?
In den Jahren 2013 bis 2019 schüttete GameStop eine Dividende an seine Aktionäre aus. Obwohl ich Dividenden als Investor schon sehr gerne habe, muss ich sagen, dass es eine gute Entscheidung war, die Dividende zu streichen. Das Geld sollte lieber genutzt werden, um sich vernünftig für die Zukunft aufzustellen.
Fazit:
Langfristanlegern rate ich dringend davon ab, zum jetzigen Zeitpunkt GameStop Aktien zu kaufen – wir befinden uns momentan in einem absoluten Ausnahmezustand. Außer Frage steht auch, dass die Aktie früher oder später wieder fallen wird. Dennoch werde ich dieses Spektakel intensiv weiter beobachten, so etwas erlebt man schließlich nicht alle Tage. Auch bin ich sehr gespannt, wie die weiteren Auswirkungen auf den breiten Markt sind und wer den Kampf letztendlich für sich entscheiden kann.
Der Hintergrund
Als ich im Jahr 2018 DividendeOhneEnde startete, suchte ich nach einem Weg schnell und einfach ein Bewertungssystem in meinen Unternehmensvorstellungen zu integrieren. Entstanden ist eine Herzchen-Skala, die abgesehen von einigen Kennzahlen hauptsächlich auf meinem Bauchgefühl beruhte.
Das Problem
Ohne Frage, das eigene Bauchgefühl kann täuschen. Aber auch die Vergleichbarkeit zwischen den Aktien hat unter dem alten Bewertungssystem gelitten. Zu guter Letzt war meine alte Herzchen-Skala eine Momentaufnahme zum Zeitpunkt des Artikelschreibens.
Die Lösung
Ich habe mir intensiv Gedanken gemacht und lange nach einer Lösung gesucht. Mit meinem heutigen datenbasiertem Berechnungssystem kann ich fortlaufend alle meine Aktien im Blick behalten. Dies macht den DividendeOhneEnde-Score vergleichbar, zumal die Daten regelmäßig aktualisiert werden.