Aufgrund welcher Faktoren entscheidet ihr, ob es eine Aktie in euer Depot schafft, oder nicht? Sind es ansprechende Kennzahlen, wie eine hohe Dividendenrendite, ein ordentliches Umsatzwachstum oder ein attraktives Kurs/Gewinn-Verhältnis? Oder achtet ihr mehr auf vielversprechende Zukunftschancen und tolle Einstiegsgelegenheiten? Ich für meinen Teil schaue mir jedenfalls die wichtigsten Dividenden- und Wachstumskennzahlen an, lege aber ebenso großen Wert auf mein bestehendes Portfolio. Welche Branche oder welches Land ist in meinem Depot noch nicht so stark vertreten? Und wo kann ich mich noch breiter diversifizieren?
Heute darf ich euch wieder einen recht defensiven und eher langweiligen Wert vorstellen, der vielleicht das ein oder andere Depot bereichern könnte. Die W.W. Grainger Inc. versorgt seine mehr als 3,8 Millionen Kunden mit allerlei Industriebedarfen. Von der kleinen Sechskantschraube über den Gehörschutz bis hin zum Elektromotor und der Glühbirne – bei W.W. Grainger wird man garantiert fündig, ganz zur Freude der Anleger.
Die Geschichte des Industriegroßhändlers findet ihren Ursprung am 5. Juli 1895, als William Wallace Grainger in Chicago geboren wurde. Nur wenige Jahre später entschieden sich die Graingers eine 40 Hektar große Farm im nördlichen Umland Chicagos zu kaufen und zu bewirtschaften. Bereits damals schlummerte in William ein ideenreicher Unternehmergeist: Auf seinem Schulweg grub er regelmäßig Regenwürmer aus dem Boden und verkaufte sie später für ein paar Cent an lokale Fischer. Im Alter von 20 Jahren trat er der US Navy bei und erarbeitete sich den Rand des Chief Petty Officers. Knapp 3 Jahre später, im Jahr 1918, gab er seine Offizierskarriere auf und entschied sich für ein Studium an der University of Illinois. Da er sich sehr für die revolutionäre Elektrotechnik interessierte, absolvierte er einen Bachelor of Science und wurde schließlich Elektroingenieur. Bill, wie man ihn meistens nannte, fand eine Anstellung in einer kleinen Tüftlerwerkstatt und konstruierte fortan seine eigenen Elektromotoren. Gelegentlich half er im Vertrieb aus und entdeckte im Verkauf seiner Motoren ein neues Talent. Tatsächlich musste man ihn ausbremsen, da seine Verkaufsprovisionen zu hoch wurden.
Im Jahr 1927 ergriff Bill die Initiative und gründete sein eigenes Motoren-Versandhandel-Unternehmen, welches er kurzerhand nach sich selbst benannte – die W.W. Grainger Inc. war geboren. Gemeinsam mit seiner Schwester Margaret mietete er sich in ein kleines Büro in Chicago ein und veröffentlichte seinen ersten 8-seitigen Verkaufskatalog namens MotorBook, der damals gerade mal 41 verschiedenen Elektromotoren beinhaltete. Sein Timing hätte nicht besser sein können, schließlich stellten zu dieser Zeit viele Industrie-Unternehmen, die bisher mit einem einzigen Motor die gesamte Produktionslinie antrieben, auf Einzelmotoren je Arbeitsstation um. Außerdem begannen die städtischen Versorgungsunternehmen nach und nach von Gleichstrom auf Wechselstrom umzustellen, was ebenfalls die Nachfrage von neuen Elektromotoren ankurbelte. Der Versandhandel lief so gut, dass man sich noch im ersten Geschäftsjahr dazu entschied seinen Verkaufskatalog deutlich zu erweiterten. Nun bot W.W. Grainger auch Bohrmaschinen, Pumpen, Sägen, Prüfgeräte und andere Elektrogerätschaften an.
Da der Bedarf an Grainger’s Produkten so groß war, ist es dem jungen Unternehmen sogar gelungen während der verheerenden Weltwirtschaftskrise weiterhin Profit zu erwirtschaften. Um seinen Kunden einen besseren Service bieten zu können, eröffnete man im Jahr 1933 seine erste Niederlassung in Philadelphia. Weitere Geschäftsfilialen eröffnete Grainger nur ein Jahr später in Atlanta, Dallas und San Francisco. Bis ins Jahr 1937 verfügte man über 16 Niederlassungen und knackte den stolzen Jahresumsatz von einer Million US-Dollar. Auch in der Zeit des Zweiten Weltkriegs konnte sich W.W. Grainger ordentlich weiterentwickeln. Obwohl der normale Markt etwas stagnierte und man nun ersatzweise auch Bibeln, Armbanduhren und Spielzeug verkaufte, stieg der Umsatz von 2,6 Millionen US-Dollar im Jahr 1941 auf 7,8 Millionen US-Dollar im Jahr 1948. Das Wachstum nach dem Krieg begann zu explodierte und W.W. Grainger konnte sich zu dem führenden landesweiten Distributor für allerlei Industriematerialien entwickeln. Heute vermarktet das Unternehmen über 1,6 Millionen Produkte von etwa 5.000 Produktherstellern und erwirtschaftete damit im Geschäftsjahr 2019 11,5 Mrd. US-Dollar Umsatz. Mit seinen Online-Shops ist die W.W. Grainger Inc. auch bestens für die Zukunft positioniert.
Wie kann sich W.W. Grainger in Zukunft weiterentwickeln?
Zunächst möchte ich noch mal das Geschäftsmodell des Industrie-Mittelmannes zusammenfassen. Momentan verfügt W.W. Grainger weltweit über insgesamt 32 Logistikzentren und 454 Standortniederlassungen. Den Großteil davon natürlich im Heimatland USA und in Kanada. Man bedient Kunden aller Größenordnungen mit ihren speziellen Industriebedarfen. Dabei unterteilt man seine Vertriebswege in zwei verschiedene Modelle.
Werfen wir nun einen Blick auf die zuletzt veröffentlichten Zahlen des dritten Quartals 2020 (endete am 30. September 2020). In diesem Quartal erwirtschaftet W.W. Grainger einen Umsatz von 3,02 Mrd. US-Dollar, was gegenüber dem Vorjahresquartal mit 2,95 Mrd. US-Dollar ein solides Wachstum darstellt. In diesem Zuge konnte man auch den Gewinn je Aktie von 4,26 USD auf nun 4,52 USD steigern und das wohlgemerkt in diesem wirtschaftlich angespannten Krisenjahr.
Generell muss ich sagen, dass sich W.W. Grainger in einem profitablen Markt sehr gut positioniert hat. Allerdings gibt es natürlich auch Risiken, auf die ich nun kurz eingehen möchte. So ist es kein Geheimnis, dass man in einem stark umkämpften Geschäftsfeld tätig ist und sich gegen Konkurrenten wie Fastenal, Home Depot, Lowe’s Companies, aber auch Amazon behaupten muss. Gerade Letzterer gab an, dass man zukünftig vermehrt in den B2B-Bereich expandieren möchte, was sicherlich kein gutes Zeichen für Grainger wäre. Natürlich ist man sich dieser Gefahr bewusst und investierte deshalb schon früh in den Ausbau der digitalen Infrastruktur. Ich bin gespannt, wie sich das alles in Zukunft weiterentwickeln wird.
Wie steht es um die Dividende?
Seit dem Jahr 1965 erhalten W.W. Grainger Aktionäre eine Gewinnbeteiligung in Form von Dividenden. Seit dem Jahr 1971 ist es dem Industriezulieferer zudem gelungen, die Dividende von Jahr zu Jahr zu steigern. Läuft alles nach Plan, sollte man dieses Jahr in den begehrten Kreis der Dividendenkönige aufgestuft werden. Die momentane Dividendenrendite liegt bei soliden 1,4 Prozent und die Dividendensteigerungsrate betrachtet auf den letzten 10 Jahren sieht mit knapp 10 Prozent recht ordentlich aus. Betrachtet man diese Steigerungsrate allerdings nur auf den letzten 5 Jahren, schrumpft dieser Wert auf 5,3 Prozent. Die Ausschüttungsquote ist mit 50,9 Prozent aber im grünen Bereich.
Fazit:
Über die Jahre entwickelte sich W.W. Grainger von einem Katalogverkäufer zu einem der führenden Zulieferer der Industrie. Ich bin zuversichtlich, dass das Unternehmen auch in Zukunft wachsen kann und Langfristinvestoren mit dieser Aktie im Depot glücklich werden.
Der Hintergrund
Als ich im Jahr 2018 DividendeOhneEnde startete, suchte ich nach einem Weg schnell und einfach ein Bewertungssystem in meinen Unternehmensvorstellungen zu integrieren. Entstanden ist eine Herzchen-Skala, die abgesehen von einigen Kennzahlen hauptsächlich auf meinem Bauchgefühl beruhte.
Das Problem
Ohne Frage, das eigene Bauchgefühl kann täuschen. Aber auch die Vergleichbarkeit zwischen den Aktien hat unter dem alten Bewertungssystem gelitten. Zu guter Letzt war meine alte Herzchen-Skala eine Momentaufnahme zum Zeitpunkt des Artikelschreibens.
Die Lösung
Ich habe mir intensiv Gedanken gemacht und lange nach einer Lösung gesucht. Mit meinem heutigen datenbasiertem Berechnungssystem kann ich fortlaufend alle meine Aktien im Blick behalten. Dies macht den DividendeOhneEnde-Score vergleichbar, zumal die Daten regelmäßig aktualisiert werden.